Tour Jänner 89

Titan & Pfiffikus

Rewel heißt eine Minimarke handgemachter Mountain Bikes. Sie kommen aus dem schönen Südtirol und fallen schon vom Material her auf: Stahl und Titan! Die Verbindungsmuffen, auch sie manuell gefertigt, bestehen aus Edelstahl, in dem die Titanrohre per Gewinde und Klebung fixiert werden. Die kleinen, senkrechten Ausfallenden sind - wie so vieles an diesem Rad - ebenfalls ,,handmade" aus Edelstahl natürlich und genau wie die anderen Verbindungen im Titangeröhr verschraubt und verklebt. Gabel und Unterstreben werden aus Edel-Stahlblech gekantet, gebogen und im WIG - Verfahren verschweißt. Aus Sicherheitsgründen ist die Gabel nicht verputzt - bei der Kosmetik könnte ja tragendes und stabiler Verbindung dienliches Material abgetragen werden. Die technischen Leckerbissen dieses Velos erblickt der Fachmann aber in der ,,Hinterbauschwinge": Vom Tretlageransatz bis zum üblichen Quersteg macht sich dort, wo bei anderen Rädern traditionell viel Luft weht, ein Kasten bemerkbar. Und zwar stabilitätsfördernd! So holte der Südtiroler bei geringerem Materialaufwand ein Mehr an Steifigkeit heraus. Eine lange Sattelstütze sorgt für individuelle Anpassung der Sitzhöhe. Vertikale Elastizität erhält der Rahmen durch sein nach hinten abfallendes Sitzrohr - wie auch der Moutain - Klein oder der Framework-Rahmen, die sich diese Bauweise ebenfalls zugute kommen ließen. Bis auf den hinteren Bremszug laufen allerdings alle Züge offen am Rahmen entlang. Bei der aus Gewichtsgründen montierten Schaltung sei das nötig, sagt der Hersteller, denn beim Runterschalten brauche die beschränkte Kraft der zierlichen Rückholfeder die so vermittelte ,,Entlastung". Für Südtirols engagierte und freakige Freedom - Biker, die ihre Spezialkraxlgeräte in knallharten Competitions einsetzen, erhöhen solche kleinen Tricks die Siegchancen. Als ich in ,,tour" 4/88 mein Mountain Bike mit nunmehr zwei vorderen Kettenblättern vorzustellen wagte, rechnete Rewel nach und entwickelte gleich weiter. Mit einem Adapter kann der Tiroler Tüftler als kleinste Blätter nun Regina-Ritzel von 16 bis 28 Zähnen aufschrauben, die in Stahlausführung der hohen Kettenbelastung obendrein besser gewachsen sind als die normalen Alu-Blätter. In der Praxis haben sich 21er Ritzel als ,,kleine Kettenblätter" bewährt. Nebenbei: mit einem 21er Kettenblatt vervierfacht sich die Pedalkraft. Brächte der energische Wiegetritt nicht das Vorderrad zum Abheben, bekäme man so locker mehr als 600 Kilopond auf die Kette! Dritter Leckerbissen sind die normalen Rahmenschalthebel - die aber auf den Lenker gesockelt wurden: Sie sind erheblich leichter als die üblichen Daumenschaltgriffe, und nach Minimierung von Gewicht trachtet man in Italiens Bergen ganz, ganz eifrig. Mit 11 bis 11,5 Kilogramm fürs komplette Bike - je nach Felgen und Reifen - ist Rewel Anbieter eines der leichtesten ATB`s. Als Bremsen hat sich der Bozner übrigens die Magura - Hydraulik ausgesucht. Nach meiner Teilnahme am Lienzer Dolomitenmann (und unserem Treffen dort) wird nunmehr aber auch nur noch mit einem Zylinder gebremst. Auf der anderen Seite lauert, genau wie bei meinem ,,einarmigen Banditen" am IFMA-ATB, ein feststehender Bremsklotz auf Arbeit. Als Zugabe liefert Rewel für diese Bremse einen flexiblen Kunststoffschutz, der den Druckzylinder der Hydraulik vor schmirgelndem Schmutz schützt. Für ein Kleinserien - Bike erstaunlich weit ausgereizt und dennoch ausgereift - so präsentiert sich ein handgefertigtes Rad, das mit rund 3500 Mark Komplettpreis eigentlich viel zu billig angeboten wird. Rechnet man die Arbeitsstunden nach, so müßten wettkampfvernarrte Kraxel-Cracks eigentlich schon freiwillig einen Tausender drauflegen...Für Interessierte die Bezugsquelle: Fahrradbau Rewel, Rentscher Straße 46,Bozen/ Südtirol, Tel.0471/979222